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3.9.11

Die lange lange Straβe lang

Borcherts Kriegsheimkehrer aus der Kurzgeschichte Die lange lange Straβe lang

Mein Text:

Der Heimkehrer aus der Geschichte Die lange lange Straβe lang fühlt sich ständig bedroht. Der 25-jährige Mann – Leutnant Fischer – ist als Auβenseiter, als Einzelgänger unterwegs. Er kommt an verschiedenen Gebäuden vorbei, hört die Geräusche des normalen alltäglichen Lebens. Er erlebt Unruhe- und Angstzustände. Borchert zeigt seine elementare Vereinsamung, seine Subjektkrise. Der Heimkehrer hat eine Persönlichkeit vom inneren Widerspruch, die ihn von der Umwelt entfremdet. Er sehnt sich nach seiner Mutter. Die Abwesenheit einer mütterlichen, mitleidigen Figur lässt ihn sich ständig bedroht fühlen: „Und seitdem ist jedes Geräusch ein Tier in der Nacht. Und in den blaudunklen Ecken warten die schwarzen Männer“ (Borchert 1947: 289). Er fühlt nicht wirklich, dass er ein lebendiger Mensch ist – er ist genauso lebensmüde wie ein alter Mensch. Zugleich ist er lebenshungrig, sein Hunger ist unersättlich.

Durch den Anblick des zerstörten Landes werden Erinnerungen wachgerufen. Der Mann berichtet vom unerwarteten Tod 57 Menschen. Er stellt verzweifelte Fragen. Niemand kann jedoch die Frage „Warum“ beantworten: entweder die Vertreter der staatlichen noch die Vertreter der kirchlichen Macht. Er ist sich dessen bewusst, dass 57 Tote beweint werden. Er führt vor Augen das Leiden der Hintergebliebenen. Er scheint es zu bereuen, dass auch er nicht tot ist. Er leidet unter Hunger – seine Lebenskräfte sind erschöpft. Immer wieder fällt er auf die Straβe.

In seinem Bewusstsein erscheint die Vorstellung von einer Vergegenständlichung des Bösen – es ist eine Puppe des „Brillenmannes im weiβen Kittel“. Die Puppe löst die Angst aus. Der Heimkehrer versucht, das Schreckliche zu überwinden, das Bedrohliche zu verdrängen. Leutnant Fischer vernichtet die Puppe, um sich von dem Bösen symbolisch zu befreien und seinem Problem auszuweichen. Sein Verhalten erinnert an das Verhalten eines Kindes, das sich gegen das Böse wehrt. Diese Reaktion war jedoch nur in der Kindheit wirksam – jetzt ist es keine richtige Befreiung. Die wahren Sachverhalte kann der Heimkehrer nicht unterdrücken. Der junge Leutnant kann nur versuchen, seine Ängste zu objektivieren, indem er die Puppe mit dem Bösen identifiziert.

So wie in vielen anderen Kurzgeschichten bedient sich Borchert der Technik des inneren Monologs – auf diese Art und Weise zeigt er die Auswirkungen des Krieges auf die Psyche des jungen Mannes. So wird der seelische Zustand des Heimkehrers geschildert. Leutnant Fischer trifft sein Alter Ego – Timm, der ihm die Schuld an der Misshandlung eines älteren Mannes zuschiebt: „Timm sagt, ich hätte den Alten nicht vom Wagen schubsen sollen. Ich hab den Alten nicht vom Wagen geschubst. Du hättest es nicht tun sollen, sagt Timm. Ich habe es nicht getan“ (Borchert 1947: 292). Bei diesem „alten Mann“ handelt es sich um eine Figur des Vaters. Die Erscheinung Timms als eine Vision lässt Fischer sich schuldig fühlen. Es gelingt ihm jedoch, einen wirklich Schuldigen auβer sich zu finden. Er weiβ, dass Timm mit Schuld beladen ist: „Aber ich kenne Timm, der nicht schlafen kann, weil er den alten Mann getreten hat“ (Borchert 1947: 306). Timm gelingt es nicht, seine Schuld dem jungen Mann zu schieben.

Die Gestalt des Heimkehrers ist in Borcherts Werken ein Spielball des Schicksals, ein Jedermann der Kriegsgeneration, ein illusionsloser Individualist, ein junger Mensch, der das Schicksal seiner Altersgenossen beispielhaft vorlebt, ein Repräsentant einer schrecklichen Zeit. Die Auβenwelt droht ihm ebenso zu entgleiten wie das eigene Selbst.

Primärliteratur:

BORCHERT, Wolfgang (1947): Die lange lange Straβe lang. In: Das Gesamtwerk, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag 2009.

1 komentarz:

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